Schach - Trainingsturniere in Seyde

1. Ausgangssituation - Probleme

1.1. Einzelturniere im Erwachsenenbereich

Wir betrachten nachstehend allein den Erwachsenen-Wettkampfbereich. Mehrtägige Einzelturniere mit wenigstens fünf - meist sieben oder neun - Wettkampfpartien je Spieler (BZ: 30 ... 120 Minuten/Spieler) können einen hohen schachlichen Bildungs- und Erlebniswert vermitteln. Unter dem Blickwinkel der Trainingseffektivität stehen sie einzig da. Leistungsstarke Schachspieler wissen das und verhalten sich dementsprechend. Jedoch Spieler mittlerer Leistungsstärke (DWZ = 1200 ... 1900) nehmen selten an Einzelturnieren teil. Das ist sehr zu bedauern. Wo liegen die Gründe dieser paradoxen Situation im Erwachsenenbereich?

1.2. Geringe Turnierteilnahme im mittleren Leistungsbereich

Drei Gründe sind besonders erwähnenswert:

1.2.1. zu wenig Turnierangebot

Das mag verwundern. Wer nämlich ein angebotenes Turnier mitspielen will, hat gute Teilnahmechancen bei rechtzeitiger Anmeldung. Berechnet man aber für eine hinlänglich große Region, z. B.: Land Sachsen, den Quotienten aus angebotener Turnierkapazität (in: maximale Spielerteilnahmen pro Jahr) dividiert durch die Gesamtzahl der Spieler mittlerer Leistungsstärke, so erhält man einen Wert von kleiner als 1/Jahr!

Dabei spielt wohl der Umstand eine größere Rolle, daß die Einzelturniere zumeist von nur einem Verein ausgerichtet werden und daß das betreffende Turnier einmal im Jahr stattfindet. Nur ganz wenige Vereine richten im Erwachsenenbereich mehrere Einzelturniere pro Jahr aus. Vom ökonomischen Standpunkt führt das zu einem sehr hohen Organisationsaufwand pro Wettkampfpartie beim mehrtägigen Einzelturnier.

1.2.2. Unzufriedenheit mit dem Abschneiden bei hohem Turnierstress

Wer die meisten Wertungspartien in Mannschaftskämpfen und in Vereinsturnieren spielt, kämpft vorzugsweise unter der Bedingung: eine Partie am Tag und danach mehrere Tage wettkampffrei. So ist die physische und psychische Einstellung auf einen Mehrpartienwettkampf in zwei bis drei Tagen mit beispielsweise bis zu drei Partien pro Tag nicht geübt und dementsprechend schlecht. Ermüdung und anderes nervliches Versagen - grober Patzer, keine Kraft im Partieabschluß - treten häufiger auf als gewohnt. Da spielt es dann keine Rolle, wenn die anderen auch schlecht spielen; der Maßstab ist das eigene bessere Spiel in den gewohnten Wettkampfsituationen.

1.2.3. nicht vertrauter Spiellort und nicht vertraute Spieler

Wer z. B. nur alle zwei Jahre an einem mehrtägigen Einzelturnier teilnimmt, befindet sich während dieses Turniers für zwei bis drei Tage meist in einer räumlich und menschlich nicht heimischen Umgebung. Und das Ganze auch noch unter höchstem Wettkampfstress! Wem bereitet das keine unangenehmen Gefühle?

2. Angebot einer Problemlösung

Kann man nicht eine Art der Turnierorganisation und -ausschreibung finden, die alle oben beschriebenen Probleme löst - die wettkampf-psychischen und die turnier-ökonomischen?

Betrachten wir nachstehenden Vorschlag Seydener Trainingsturnier:

2.1. Basisdaten

ZIELGRUPPE: (zumeist erwachsene) Spieler, Spielstärkebereich 1200 bis 1900.

FREQUENZ: monatlich am gleichen Ort, Trainingspension Seyde, ein Turnier.

DAUER: von Freitagabend bis Sonntagnachmittag.

KAPAZITÄT: demnächst höchstens 20 Teilnehmer, 5 oder 9 bis 12 Runden.

BEDENKZEIT: 30 bis 90 Minuten/(Spieler*Partie), d. h.: Schnellschach-Varianten.

2.2. Organisation

2.2.1. Abläufe

FREITAG: * Anreise bis 18:30 h.

* Wahl von Wettkampfgericht und Schiedsrichter; Ansetzungen..

* eine Partie (60 ... 90 ‘ BZ) oder zwei bis drei Partien (30’ BZ).

SONNABEND: * eine Partie (60 -90 ‘ ) oder zwei bis drei Partien (30 ‘ ) bis Mittag.

* nach Mittagspause n. V. kleine Wanderung/Radtour o.ä.

* nach Kaffee & Gebäck eine oder zwei Partien.

* nach Abendbrot eine oder zwei bis drei Partien wie vormittags.

SONNTAG: * bis Mittag wie Sonnabend.

* nach Mittagspause wie Sonnabend bzw. eine oder zwei Partien.

* Turnierabschluß, Auswertungen, Siegerehrung, Verabredungen nächster Turniere.

2.2.2. Unterkunft, Verpflegung, Spielmaterial

UNTERKUNFT: in der Trainingspension, bei höherer Teilnehmerzahl als 20 auch in benachbarten Pensionen, 2 ... 10 Minuten Fußweg entfernt.

VERPFLEGUNG: Frühstück, Abendbuffet, sonstige Getränke, Kaffee & Gebäck in der Pension, Mittagessen in "Uschis Bauernstube".

SPIELMATERIAL: stellt Trainingspension.

2.2.3. Ausschreibung, Anmeldung, Finanzierung

AUSSCHREIBUNG: Siehe Wettkampf- und Turnierkalender sowie Europa-Rochade!

ANMELDUNG: für Turnierabsolventen im Turniermeldebuch

KOSTEN TEILNEHMER: 2 Übernachtungen mit Frühstück und Kaffee oder/und anderen Heißgetränken 50,- DM. 2 Abendbuffetts 12,- DM. Turnierteilnahme: 30,- DM. 2 Mittagessen mit Getränk in "Uschis Bauernstube" 16,- DM. Tagsüber sonstige Getränke sowie Kaffee/Tee/Kakao und Kuchen nach Preisliste in der Pension.

Insgesamt ergeben sich für 2½ Tage Schachturnier-Urlaub Teilnehmerkosten der Höhe 50+12+30+16 & Kosten für sonst. Getränke und Kuchen = 108 DM & ... . Dazu trägt der Teilnehmer noch seine Fahrtkosten.

3. Philosophie

3.1. Ziele aller Teilnehmer

Die Turnierteilnahme trainiert mit fünf bis neun Wettkampfpartien in drei Tagen nicht nur Spielstärke schlechthin. Sie trainiert auch Wettkampfkondition und -psyche. Die Turniere sollten nicht zu Wertungszwecken herangezogen werden, so daß ihr Trainingscharakter beliebig betont werden kann. So sind auch Thematurniere, seminaristische Partieanalysen am Sonnabendabend, Trainings und Spielstärke-Tests durch Meisterzügeraten, beispielhafte Trainings u. a. m. möglich. Erlebnis / Spaß und Erholung sowie Training stehen im Vordergrund, nicht Sieg und Wertung.

Natürlich werden die Sieger geehrt. Die Turnierresultate und die Turnierdaten sowie die sonstigen Trainingsinhalte werden im Seydener Turnierbuch eingetragen. Ein gelegentlich vereinbartes Turnier mit Wertungscharakter widerspricht nicht dem vordergründigen Geist der Turnierserie: Training, Erleben, Turnierkampf bei gemäßigtem Stress.

3.2. Ziele teilnehmender Trainer und des Lehrausschussesdes

Speziell für die C-Trainerfortbildung

In der Trainingspension befindet sich eine große Schachbibliothek. Ihr Bekanntwerden und ihre Zugänglichkeit als Präsenzbibliothek soll durch die Turniere verbessert werden.

Die beiden letztgenannten Zielstellungen sollen C-Trainer besonders ansprechen und so dazu beitragen, daß sie sich bei Seydener Turnieren häufig begegnen. Der Weg des Lehrausschußes zum ehrgeizige Fernziel einer Schachtrainer-Akademie in der Seydener Trainingspension kann so einen Start finden.

 

4. Erste Konzeptdiskussionen

Die Vorstellung des Konzeptes in drei Trainerlehrgängen im Mai und im Juni 1998 ergab nur positive Rückmeldungen und Erwartungshaltungen. Vor allem die Beschränkung des Teilnehmerkreises auf den Bereich NWZ 1200 ... 1900, das angestrebte "Gruppe drei Tage im Ferienhaus"-Klima und die Orientierung auf "Training - nicht Wertungskampf!" wurde gutgeheißen. Im Herbst diesen Jahres fanden zwei weitere Konzeptdiskussionen von Trainern und Lehrausschuß statt. Sie ergaben, ohne noch neue Gesichtspunkte beizubringen, daß das Konzept vorbehaltlos gutgeheissen wurde.

Die besonderen Ambitionen des Lehrausschusses bezüglich der Trainer-Weiterbildung in Seyde auch mit dieser Turnierserie wurden besonders begrüßt.